(Robert Adalbert Wilhelm
von Erdberg-Krzenciewski)
Geboren am 6.6.1866 in Riga.
Studierte Kunstgeschichte und war mehrere Jahre auch Schauspieler. Nach
Abschluß des Studiums mit Promotion erhielt er durch Vermittlung
des Hallenser Nationalökonomen J. Conrad 1896 Anstellung als Leiter
der Abteilung für Volksbildung in der Zentralstelle für Arbeiterwohlfahrtseinrichtungen
und wechselte 1919 in das Preußische Kultusministerium.
In der Zentralstelle, neben
organisatorischer Arbeit, Berichterstatter zahlreicher Tagungen und Kongresse,
daneben diverse Aufsätze zum Verhältnis von Kunst und Volksbildung.
Befaßte sich auf verschiedenen Studienreisen mit der Entwicklung
der nordeuropäischen Heimvolkshochschulen und nahm starken Anteil
an der Entwicklung der Volksakademien des Rhein-Mainischen Verbandes für
Volksbildung.. Gründete gemeinsam mit Fritz Coerper 1909 die Zeitschrift
"Volksbildungsarchiv - Beiträge zur wissenschaftlichen Vertiefung
der Volksbildungsbestrebungen".
Nach dem Ersten Weltkrieg,
1919, wurde er in das Preußische Ministerium für Wissenschaft,
Kunst und Volksbildung berufen. Er führte dort Schulungskurse (bis
1925 allein 25) für Lehrpersonal an Volkshochschulen durch . Erdberg
war wesentlich an den erwachsenenbildnerischen Diskussionen der zwanziger
Jahre, sowie der Entwicklung des Volksbibliothekswesens beteiligt und Mitherausgeber
der Zeitschrift "Die Arbeitsgemeinschaft. Monatsschrift für das gesamte
Volkshochschulwesen". Er zählte zu den Mitbegründern des Hohenrodter
Bundes. Robert von Erdberg starb am 3.4.1929 in Berlin.
Becker, Carl Heinrich, Prof. D. Dr.
12.4.1876 Amsterdam, + 10.2.1933 Berlin, Politiker, parteilos.
Er war 1921 und von 1925 bis 1930 Preußischer Staatsminister und begründete 1926 die Deutsche Dichterakademie.
Preußischer
Wissenschafts-/Kultusminister 21.4.1921 - 7.11.1921 unter Ministerpräsident
Dr. Adam Stegerwald, Zentrum, von 18.2.1925 - 4.4.1925, unter Ministerpräsident
Dr. Wilhelm Marx, Zentrum, und ab 5.4.1925 - 30.1.1930, unter Ministerpräsident
Dr. Otto Braun. Abgelöst am 30.1.1930 von Adolf Grimme, SPD, (bis
25.3.33, dieser dann abgelöst von Unterrichtsminister Bernhard Rust,
NSDAP))
Als parteiloser Politiker
setzte sich Becker für eine republikanische Staatsgesinnung unter
Lehrern und Schülern ein und förderte die Ausbildung der Volksschullehrer
an Pädagogischen Akademien. Becker und sein Ministerialdirektor Werner
Richter versuchten, die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft stärker an Preußen
zu binden und in ähnlicher Weise wie die Universitäten und Akademien
zu kontrollieren. Becker lebte bis zu seinem Tode in Berlin auf dem "Fichtenberg"
in Steglitz. Dort nach ihm benannt der Carl-Heinrich-Becker-Weg.
Zu einer der ersten Maßnahmen des neuen Erziehungsministers Rust gehörte der Reichserlaß zur Errichtung von Bildstellen vom 26. Juni 1934 ( R K 5020 U II, Unterrichtsfilm und amtliche Bildstellen). ...
Unter der Leitung der am 28. Juli 1934 gegründeten "Reichsstelle für den Unterrichtsfilm" RfdU entstanden in Deutschland zunächst 24 Landesbildstellen (später nach Vergrößerung des Reichsgebiets waren es 36), denen insgesamt etwa 850 Stadt- und/oder Kreisbildstellen unterstellt waren. Der rasche Aufbau der neuen Strukturen war aber nur möglich, weil man auf die bereits seit den zwanziger Jahren bestehenden Institutionen zurückgreifen konnte. Der Name RfdU besagt schon, daß der (stumme 16 mm-)Unterrichtsfilm sowie die Versorgung der Schulen mit Schmalfilmprojektoren und nicht das Lichtbild Schwerpunkte der Arbeit in der neuen Institution waren. Die Herstellung von Dia-Reihen war für die RfdU zunächst nicht so wichtig, da die Schulen bzw. Bildstellen in dieser Hinsicht bereits relativ gut ausgestattet waren. Um der schließlich doch erfolgten Ausweitung ihres Tätigkeitsbereiches über den Unterrichtsfilm hinaus Rechnung zu tragen, wurde die RfdU im Februar 1940 in "Reichsanstalt für Bild und Film in Wissenschaft und Unterricht" RWU umbenannt. Dank der Rivalität zwischen NS-Erziehungs- und NS-Propagandaministerium konnte sie sich aber einen beträchtlichen Freiraum zur Produktion sachorientierter, unpolitischer Filme sichern, die erklärtermaßen nicht Erziehungs-, sondern ausschließlich Bildungszwecken dienten. Nach Kriegsende gaben die Alliierten dann auch die Schulfilme fast uneingeschränkt frei.
(Aus einem Text zum 75-jährigen Jubiläum der Bildstelle Darmstadt
Anm: Die Unterrichtsfilme der RfdU waren Stummfilme auf Schmalfilm; sie unterlagen nicht der Zensur des Propagandaministeriums. Die Mehrzahl der Filme befaßte sich mit der Darstellung naturkundlicher Themen. Bis 1944 produzierte die RWU insgesamt 876 Filme in 600.000 Kopien und vier Millionen Dias. Über die Bildstellenorganisation wurden diese Filme in die Schulen vermittelt.
Eva Reichwein
Eva Reichwein, geb. Hillmann,
ist identisch mit Eva Steinschneider, die nach dem Zweiten Weltkrieg ab
1947 einige Jahre als kommunistische Kommunalpolitikerin in Frankfurt am
Main wirkte und in der dortigen Arbeiterbewegung seinerzeit zu den bekannten
Persönlichkeiten zählte. 1958 gründete sie die Arbeiterzeitung
"Frankfurter Bote" und blieb bis zu ihrem Tode Herausgeberin dieser Publikation.
Sie hatte Reichwein um 1918
in der Frankfurter Wandervogelbewegung kennengelernt und stand angeblich
schon während ihrer Ehe mit Reichwein kommunistischen Ideen
nahe, zu denen aber Reichwein keinen Zugang fand. Nachdem der gemeinsame
Sohn Gert im September 1925 beim Spielen in einer Regentonne ertrank, war
die nach Aussage von Freunden durch die ideologischen Verschiedenheiten
offenbar belastete Ehe wohl nicht mehr tragfähig. Genauere Gründe
für das Scheitern dieser Verbindung sind allerdings weder von den
direkt Beteiligten, noch über ihre Familien überliefert. Wer
sich etwas intensiver mit den Biographien Adolf und Eva Reichweins
beschäftigt, wird Anhaltspunkte für die Vermutung finden, daß
der Tod des Sohnes wohl nicht der primare Anlass war, sondern daß
hier lediglich die stärkste Bindung einer sehr früh geschlossenen
Studentenehe entfiel, die durch Inkompatibilitäten in Charakter und
Lebensstil der beiden jungen Leute nicht mehr tragfähig war.
Im Frühjahr 1926 trennte
sie sich von Adolf Reichwein. Reichwein stürzte sich in eine ausgedehnte
Weltreise, während derer wir in seinen Briefen zwar den Schmerz über
den Verlust des Kindes erfahren, jedoch wenig über die verlorene Lebenspartnerin,
Eva ihrerseits geht zurück nach Frankfurt und tritt der KP bei. Die
Ehe mit Reichwein wurde offiziell im November 1927 geschieden. Im gleichen
Jahr wurde Evas Tochter Marie-Luise geboren. deren Vater, ihren neuen Arbeitgeber
und jüdischen Anwalt Adolf Moritz Steinschneider (1894 - 1944),
sie später auch heiratete. Sie studierte Jura und ging 1933 mit Adolf
Steinschneider ins Exil nach Frankreich. Adolf Steinschneider wurde dort
im Juli 1944 von der SS umgebracht. Eva Steinschneider kehrte 1947 mit
ihrer Tochter nach Frankfurt zurück. Sie starb im Dezember 1968.
Das "Adolf Moritz Steinschneider-Archiv"
ist im Deutschen Exilarchiv 1933-1945 der Deutschen Bibliothek in Frankfurt
am Main aufbewahrt. Es enthält Briefe an/von Adolf Moritz Steinschneider,
darunter Korrespondenz mit seinen Brüdern Gustav und Karl Steinschneider
in Palästina und Eva Reichwein sowie Briefe Dritter; Dokumente
zu seinem Exil in der Schweiz und in Frankreich; Programme, Einladungen,
Drucksachen jüdischer Vereinigungen und von Exilorganisationen. Marie-Luise
Steinschneider lebt in Frankfurt am Main.
Auf dem Gelände
des Schlossen Pretzsch arbeiten heute in pädagogischer Kooperation
zwei Einrichtungen:
Das
Kinder-und Jugendheim "Adolf-Reichwein" hat an dieser Stelle eine lange
Tradition und war in seinen Anfängen Militärwaisenhaus als "Zweigstelle"
des bereits im 18. Jahrhundert gegründeten "Großen Militärwaisenhauses"
in Potsdam. 1827 schenkte König Friedrich Wilhelm III. dem Waisenhaus
das Schloß Pretzsch.
Nach wechselvoller
Geschichte und Aufgabenstellung ist es heute ein fortschrittlich geführtes
Kinder- und Jugendheim, seit dem Jahre 2000 in der Trägerschft der
Salus gGmbH, eingerichtet für die Betreuung und Begleitung von Kindern
und Jugendlichen, die einer besonderen Hilfe zur Erziehung außerhalb
ihrer Familien bedürfen. In den historischen, aber im Inneren grundmodernisierten
Räumen des Schloßgeländes leben die Kinder und Jugendlichen
zwischen 6 und 18 Jahren mit Erziehern in unterschiedlichen koedukativen
Wohngruppen in Form von heilpädagogisch-integrativen Gruppen, Verselbständigungsgruppen
und Tagesgruppen. Ein moderner Internatsbereich für lernbeeinträchtigte
und lernbehinderte Kinder, die am Wohnort kein adäquates Schulangebot
haben, ist angeschlossen. Der Schulbesuch für alle wird durch die
im Schloß angesiedelte und vom Landkreis Wittenberg getragene Sonderschule
mit Ausgleichsklassen "Adolf Reichwein" sichergestellt. Die Schule gliedert
sich in einen Grundschul- und Sekundarschulbereich für die Klassenstufen
1-9. Die Klassenstärke beträgt 8 - 12 Schüler.
Das Kinder- und
Jugendheim besitzt ein eigenes Ferien-Zeltlager in Preerow/Darß.
Schlossbezirk
1
06909 Pretzsch
(Elbe)
Tel: 034926-563-0
Fax -563-17 (Salus Kinder- und Jugendheim)
Tel: 034926-57496
(A-R-Schule)
Achtung:
Dieses ist ein Informationstext des Adol-Reichwein-Vereins, keine offizielle
Seite der Institution.
DIe Akademische Vereinigung Sodalitas
Philippina Marburg
War eine der Vereinigungen, die sich als Sammelstelle jener empfanden, die die "Wandervögel", sobald sie dem Jugendalter und damit der Gemeinschaft der Wandervögel entwachsen waren, aufnehmen wollten um ihnen die Möglichkeit zu geben, die im Wandervogel erworbenen Prägungen im Leben der Erwachsenenwelt zu bewahren, weiterzuführen und auszubauen. Nun sollten sie "intergriertes Denken" lernen, sich mit gesellschaftlichen Fragen auseinandersetzen, sich nicht erneut in beengendes Spezialistentum begeben.
Die erste dieser Vereinigungen
war die 1907 von Knud Ahlborn in Göttingen begründete Deutsche
Akademische Freischar. 1912 gründete sich die ,,Akademische
Vereinigung Marburg", die noch deutlicher den typischen, aus der Jugendbeweg
hergeleiten Auftrag für diese jungen Erwachsenen erkannte. Sie strebte
quasi eine studentische Erziehungs- und Bildungsgemeinschaft an, um sich
der geistigen ,,Ertüchtigung ihrer Glieder in gemeinsamem Streben
zur freien Beherrschung wissenschaftlichen Geistes" anzunehmen. Sie wollte
für ihre Mitglieder "ohne Ansehung ihrer Überzeugungen das kulturelle
Forum sein, vor dem Gegensätze unvoreingenommen zum Austrag kommen
könnten und müßten." In all diesen Vereinigungen älterer
Wandervögel lebte -- vielleicht nur unterschwellig -- die Ahnung,
sie könnten so ihr Erwachsenenleben innerhalb einer immer arbeitsteiligeren
Gesellschaft wohl besser bewältigen. Die AV war 1913 dann auch gleich
Teilnehmer des Treffens
auf dem Hohem Meißner. Adolf Reichwein hat sich in seiner Marburger
Zeit der Akademischen Vereinigung angeschlossen, und intensiv an den Diskussionsarbenden
im Marburger "Hochzeitshaus"
teilgenommen, bei denen auch einige seiner Professoren und sein Freund
Ernst-Robert Curtius mitwirkten. Das Publikationsorgan der AV waren die
"Ockershäuser Blätter".
Im Jahre 1934 mußte
sich die Akademische Vereinigung auflösen.
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Geboren am 12. April 1875 in Worms. Verstorben im Alter von 70 Jahren am 16. September 1945 in der niederländischen Stadt Bloemendall-Overveen.
Im Jahre 1901 promovierte Sinzheimer an der Universität Heidelberg mit einer Dissertation zu dem Thema Lohn und Aufrechnung. Seine Arbeit wurde unter anderem inspiriert von dem Rechtsphilosophen Rudolf Stammler.
1903 ließ er sich als Rechtsanwalt und Notar in Frankfurt am Main nieder, wobei Schwerpunkte seiner Tätigkeit politische Strafsachen und die Vertre-tung der Gewerkschaften in arbeitsrechtlichen Streitigkeiten waren. Nach kommunalpolitischem Engagement in verschiedenen liberalen Parteien wurde er 1914 Mitglied der SPD und erhielt nach vorübergehender Tätigkeit als Polizeipräsident in Frankfurt ein Mandat in der verfassungsgebenden Nationalversammlung. Dort gestaltete er als anerkannter Rätetheoretiker insbesondere die Wirtschaftsverfassung (Art. 165 WRV) mit.
1920 wurde er ordentlicher Honorarprofessor für Arbeitsrecht und später für Rechtssoziologie an der Universität Frankfurt und war Mitbegründer der dortigen Akademie der Arbeit. Nach seiner Berufung an die Universität kandidierte er nicht mehr für den Reichstag.
Aufgrund seines Bekenntnisses zum Judentum wurde ihm im September 1933 die Lehrbefugnis entzogen. Im selben Jahr emigrierte er in die Niederlande. Dort lehrte er als außerordentlicher Professor für Arbeitsrecht und Rechts-soziologie an den Universitäten Amsterdam und Leiden. 1940 von der Ges-tapo vorübergehend verhaftet, überlebte er den Nationalsozialismus versteckt bei holländischen Freunden.
Sinzheimer stand der Freirechtsbewegung nahe. Seine soziologische Metho-de verdeutlichte in Ergänzung zur gängigen dogmatischen Methode die Be-deutung der Rechtstatsachen für Rechtsanwendung und insbesondere Rechtssetzung. Sein Streben war darauf gerichtet, den Humanismus und Roman-tizismus den späteren Generationen zu vermitteln. Für ihn stand die Freiheit und Würde des Menschen im Vordergrund.
Er verfasste mehrere arbeitsrechtliche Untersuchungen, darunter am einfluss-reichsten Der korporative Arbeitsnormenvertrag (1907/08). Die darin ent-wickelte Konstruktion der Rechtswirkung des Tarifvertrages findet bis heute Anwendung, so dass er als ?Vater des Arbeitsrechts? gilt. Mit Grundzüge des Arbeitsrechts (1921) schrieb er eines der ersten Lehrbücher zum Arbeitsrecht. Nach Sinzheimers Auffassung sollte das Arbeitsrecht, das die wirt-schaftliche Unselbstständigkeit des Menschen zur Kenntnis nimmt, zum Mit-tel der Kritik und Überwindung des bürgerlichen Rechts werden, das die Unabhängigkeit seiner Subjekte voraussetzt und daher zum Beispiel die Pro-bleme sozialer Sicherung in der industrialisierten Gesellschaft nicht mehr erfassen kann. Er verdeutlichte diesen Gedankengang, indem er die dem bürgerlichen Recht und dem Arbeitsrecht zugrundeliegende Menschenbilder analysierte und verglich.
Der Sinzheimer-Schule gehörten unter anderem Ernst Fraenkel, Otto Kahn-Freund und Hans Morgenthau an18, die seine Arbeit -auch unter schwierigsten Bedingungen während des Dritten Reichs- fortführten.
Die S.S. President Madison
der Admiral Oriental Line
Die häufig zu lesende
Anmerkung, Adolf Reichwein habe in Seattle auf einem "Handelsschiff" angeheuert,
legt die Annahme nahe, es handele sich hierbei um ein Frachtschiff. Das
ist nicht richtig. Der Begriff "Handelsschiff" wurde früher als Gegensatz
zum Kriegsschiff verwendet. Die 535-Liner waren kombinierte Passagier/Cargo-
Schiffe mit luxuriös ausgestatteten Passagierbereichen, 21.000 BRT
und einer Länge von etwa 160 Metern. 200 First-Class-Passagiere, sowie
170 Mann Personal und Besatzung waren, laut Reichwein, an Bord. Über
die Ausstattung des 1921 gebauten 535-Liners können Sie sich
hier
ein Bild machen.
Es gab insgesamt 10 dieser
nach Präsidenten benannten Schiffe, von denen die Admiral-Oriental-Line,
mit der Reichwein fuhr, 5 besaß. Die Robert Dollar Co., die Pacific
Mail Steamship Co., die Admiral Oriental Line, und die Green Star Steamship
Corporation befuhren die Route nach Fernost. Es hat zwar tatsächlich
ein Frachtschiff gleichen Namens gegeben, aber dieses (die ehemalige "Kenmore")
erhielt erst 1940 den Namen President Madison. Reichweins Fahrt mit der
PM dürfte die letzte Fahrt des Schiffes für die AOL gewesen sein,
denn die President-Schiffe wurden noch im gleichen Jahr an die Dollar-Line
verkauft. Die President Madison nahm ein eher unrühmliches Ende, sie
wurde 1933 nach Seattle in die Werft zur Reparatur gebracht und kenterte
dort. Ihr Eigner, Robert Dollar, erhielt eine Million $ von der Versicherung
und ließ das Schiff nicht wieder herrichten, da sein Unternehmen
dem Konkurs entgegenging.
Die SS President Madison,
etwa 1927-30. Am Schornstein bereits das Emblem der Dollar-Line. Auf dem
Vorschiff die für diese Schiffe typischen Aufbauten, die auch auf
einem Foto Reichweins in "Erlebnisse mit Tieren und Menschen..." zu sehen
sind.
(Henry) Rolf Gardiner,
(5.11.1902 - 26.11.1971)
war eng mit Adolf Reichwein
befreundet und durch gemeinsame Interessen verbunden. Seine Mutter hatte
Österreich-Ungarische und skandinavische Wurzeln, sein Vater, der
Ägyptologe Sir
Alan Gardiner, war Engländer.
Wie Reichwein, war er schon
früh jugendbewegt, wurde Pfadfinder, durchwanderte nicht nur mit Begeisterung
die heimischen Cotswolds, sondern ebenso die Schweiz, Österreich,
Schlesien und Norddeutschland. Auch dem Gilden-Sozialismus stand er nahe.
Er studierte in Cambridge
moderne und mittelalterliche Sprachen, sowie Landwirtschaft. Der begabte
Volkstänzer und Sänger gründete dort mit Jane Shofield
im Jahre seines Studienabschlusses , 1924, die Volkstanzgruppe
"Morris Men", in der - entgegen der damaligen Volkstanztradition in England
- nur Männer mitwirkten. Die Cambridge MM hatten bedeutenden Einfluß
auf die englische Volkstanzbewegung in unterschiedlichen Ausprägungen,
wie Masken- und Schwerttanz. Noch heute gibt es allenthalben in England
Morris Men. Auf Gardiners Idee geht auch die Gründung der English
Festival Dance Society (EFDS) zurück. Als Rolf und Mariabella Gardiner
1932 in der Southwark Cathedral heirateten, bildeten die North Skelton
- Schwerttänzer, deren Arbeit er inspirierte, das Spalier. Das hier
wiedergegebene Foto wurde an diesem Tag aufgenommen.
Mit 25 Jahren, 1927, begann
er sich der Landwirtschaft zu widmen. Er rekultivierte die Farm seines
Onkels, des Komponisten Balfour
Gardiner, 6,5 Kiliometer von Shaftesbury in Dorset. Lange bevor die
ökologische Bewegung sich durchsetzte, arbeite Gardiner nach Methoden
des ökologischen Landbaus. Er entwickelte ein Aufforstungsprogramm
mit rund drei Millionen Bäumen. 1933 kaufte er dort mit Balfours Hilfe
die Gore-Farm und die Mühle in Fontmell und gründete damit seinen
eigenen Wohnsitz Springhead
(Fontmell Magna/Dorset).
Er hatte ständigen
Kontakt zur deutschen Jugendbewegung, insbesondere dem Wandervogel. Von
dessen Idealen und Lebensformen beeinflußt, gründete er nach
dem Vorbild der Arbeitslager von Rosenstock-Huessy den "Springhead
Ring" und veranstaltete zahlreiche Work-Camps, in denen junge Menschen
unterschiedlicher sozialer Herkunft mehrere Wochen bei landwirtschaftlicher
Arbeit und musischer Betätigung vereint wurden. Hier hielt auch Adolf
Reichwein Vorträge, als er 1938 vier Wochen in England verbrachte
und in Springhead wohnte. Ab 1932 wurden diese Work-Camps zeitweilig auch
in East Cleveland für arbeitslose Bergleute veranstaltet.
Wie
Reichwein, war Gardiner mit vielen bedeutendenIm Persönlichkeiten
zeitlebens freundschaftlich verbunden. Zu seinem Freundeskreis seit der
Studienzeit zählten z.B.
D.H.
Lawrence und Sir George
Trevelyan.
Im Jahre 1943 wurde in Springhead
sein Sohn, der weltberühmte Dirigent Sir
John Eliot Gardiner, geboren. Ab 1947 wirkte Gardiner als Farmer
auf einem Gut im heutigen Rhodesien und erwarb sich bis zu seinem Tode
große Reputation auf dem Gebiete der europäischen Landschaftspflege.
Er wird in England bisweilen als der "Vater
des ökologischen Landbaus" bezeichnet. In Springhead veranstaltete
er weiterhin musische Gemeinschaften. Springhead wird heute von einer Stiftung
betrieben, dem Springhead
Trust, der 1971, nach Gardiners Tod von dessen Witwe gegründet
wurde.
Gardiner ist in Großbritannien
eine nicht unumstrittene Persönlichkeit. Trotz seines hervorragenden
Rufs als ökologischer Landschaftsgestalter haben ihn die Nähe
zur deutschen Jugendbewegung, seine Kontakte nach Deutschland, die Tatsache,
daß er deutsche Kriegsgefangene in Sprinhead beschaftigte und mit
ihnen freunschaflichen Umgang pflegte, die Begeisterung für Volkstanz
und Volkskunst e.t.c., in den Verdacht gebracht, ein Sympathisant des Nationalsozialismus
und Fachismus gewesen zu sein. Diese Betrachtungsweise mag verständlich
sein für Länder, die den Nationalsozialismus eher von außen
- und damit auf grobe Indikatoren reduziert - erlebt haben.
Seine Kontakte zu Walther Darré und Jorian Jenks können
auch nicht geleugnet werden. Bei etwas differenzierterer Betrachtung wird
man Rolf Gardiner aber wohl eher als einen für die ersten zwei Jahrzehnte
des 20. Jahrhunderts typischen, aus den Strömungen der Jugendbewegung
kommenden jungen Mann einordnen, selbstverständlich geprägt durch
die patriotischen und mystischen Strömungen der Jahrhundertwende (auch
der Volkstanz der Morris Men hatte Wurzeln in den mystischen Vorstellungen
von D.H. Lawrence), und auch vor Irrwegen oder Fehleinschätzungen
nicht gefeit, sich dann aber aus nationaler Enge zu einem in europäischen
Dimensionen denkenden Menschen entwickelte. In ständigem Kontakt zu
Adolf Reichwein bleibend, ist eine Nähe zum Nationalsozialismus bei
ihm schwer denkbar.
Nach dem zweiten Weltkrieg
organisierte er auf privater Basis eine Chorfahrt per Bus entlang der Grenze
zwischen der Bundesrepublik und der DDR. Er sang in den Kirchen,
um damit gegen diese Grenzziehung zu protestieren. Auf einem Hügel
in Wessex pflanzte er einen Ring aus immergrünen Bäumen - Balfour´s
Circle - jeder eine unterschiedliche, nordeuropäische Spezies, um
die Stelle, an der die Asche seines Onkels Balfour beigesetzt ist. So wird
dieser Platz zum Symbol für die Gemeinschaft, die aus der europäischen
Vielfalt erwächst.
In einer seiner letzten Reden in Straßburg sagte Gardiner:
“In der Postmoderne wird
die Gesellschaft Disziplin im Verbraucherverhalten üben müssen,
hin zu einem mehr selektiven Konsum, sich besinnen müssen auf das
wirklich Notwendige. Verschwendung unserer Ressourcen und bedenkenloser
Konsum führen zur Ausplünderung und Vernichtung des Bodens, der
Pflanzen, Tiere und der Menschheit.. Wir können uns das nicht leisten.
Wir müssen in allen Belangen einen gemeinsamen, verantwortungsvolleren
Lebensstil entwickeln, wenn wir überleben wollen”.
Besuch
des Bundeskanzlers Gerhard Schröder
Am Donnerstag, dem 1. August
2002, besuchte Bundeskanzler Gerhard Schröder die Hansestadt Stralsund.
In Begleitung des Ministerpräsidenten und des Oberbürgermeisters
traf der Kanzler am Morgen vor dem Katharinenkloster, dem Stammhaus des
Deutschen Meeresmuseums, ein. Vor dem 17-m-Kutter „Adolf Reichwein"
fanden die Begrüßungsgespräche statt. Der Kanzler war über
die Biographie des bedeutenden Pädagogen Reichwein bestens informiert.
A. Reichwein war Mitglied der SPD und war aus diesem Grunde seines Amtes
im Reichsbildungsministerium enthoben und wegen der Tätigkeit im Widerstand
gegen die Diktatur 1944 zum Tode verurteilt und hingerichtet worden. Im
Meeresmuseum fühlte sich der Kanzler sichtlich wohl. In den Ausstellungen
zeigte er besonderes Interesse für die Wale, für die DDR-Hochseefischerei
und für die Volkswerft Stralsund. Auch das frisch renovierte Gewölbe
der Katharinenhalle und die Meeresaquarien hinterließen bei ihm einen
tiefen Eindruck.
Elisabeth Siegel
7.2.1901 - 9.3.2002
Mit der Sozialpädagogin
Elisabeth Siegel verstarb am 9. 3. 2002 eine weitere Persönlichkeit
jener Generation, die noch zu den Wegbegleitern Adolf Reichweins gehörte,
die die gesellschaftlichen und politischen Umbrüche seit der Jahrhundertwende
selbst erlebt und gelebt hat. Die Teilnehmer unserer Tagung in Rosbach
1998 haben das Bild dieser auch in hohem Alter bemerkenswert präsenten,
agilen und diskussionsbereiten Frau
noch in lebhafter Erinnerung.
Elisabeth Siegel wird
am 7. 2. 1901 in Kassel als Tochter einer Beamtenfamilie geboren.
Nach dem Abitur 1920 absolviert sie ein Praktikum in einem Kinderheim im
Thüringer Wald und dann von 1923 bis 1925 am Sozialpädagogischen
Institut in Hamburg eine Ausbildung mit dem Schwerpunkt Jugendfürsorge.
Während einer folgenden Tätigkeit beim Jugendamt
Hamburg (1925 - 1926) ist sie 1925 als Praktikantin in Berlin beim
"Deutschen Verein für jugendliche Psychopathen" tätig.
Hier wohnt sie im Haus des
damaligen Kultusministers Carl Heinrich Becker und begegnet erstmalig Adolf
Reichwein. Im gleichen Jahr zählt sie zu den Mitbegründern
der Gilde Soziale Arbeit.
In den Jahren 1926-1930
studiert sie in Göttingen und Hamburg Pädagogik, Psychologie,
Soziologie und VWL. Sie promoviert 1930 bei Hermann Nohl über
„Das Wesen der Revolutionspädagogik“.
In den Jahren 1930 - 1938
arbeitet sie an verschiedenen Akademien. So erhält sie 1931-1932 einen
Ruf an die Pädagogische Akademie Stettin unter der Leitung von Werner
Krukenberg und arbeitet 1932-1933 an der Pädagogischen Akademie Elbing,
wo sie auch Hans Bohnenkamp kennenlernt, Mitbegründer der "Akademischen
Vereinigung Marburg" und Fraund Adolf Reichweins. Diese nüchternen
Daten beruflicher Tätigkeit müssen allserdings durch den Hinweis
ergänz werden, daß sie ihre Anstellungen in Breslau und
Stettin, Elbing, Bremen und Papenburg damals wegen "politischer Unzuverlässigkeit"
quittieren mußte.
Am 1.4.1933 wird sie, wie
Adolf Reichwein in Halle, in Elbing aus ihrer Akademie-Tätigkeit
entlassen. Die Nationalsozialisten beseitigen die unerwünschten Ausbildungseinrichtungen.
Von 1938 bis zum Kriegsende
ist Elisabeth Siegel dann als "Oberin" an der Viktoria-Schule Magdeburg,
einer höheren Mädchenschule mit angegliedertem hauswirtschaftlichen
Zweig und im Kindergärt-nerinnenseminar tätig.
Das Kriegsende erlebt sie
als Schulleiterin in Magdeburg. Sie beteiligt sich maßgeblich am
Wiederaufbau der Lehrerausbildung in Niedersachsen, wird 1947 Professorin
in Lüneburg, zuständig für sozialpädagogische
Praktika innerhalb der Lehrerausbildung und wechselt 1953 nach Osnabrück,
wo sie bis zu ihrer Emeritierung 1969 an der Adolf-Reichwein-Hochschule
als Professorin für Pädagogik und Sozialpädagogik wirkt.
Das Land Niedersachsen hat
Elisabeth Siegel 1980 mit dem Verdienstorden für ihre Leistungen um
die Lehrerausbildung gewürdigt, die Stadt Osnabrück verlieh ihr
- wie zuvor ihrem Osnabrücker Hochschulkollegen Hans Bohnenkamp -
1984 die Möser - Medaille.
"Aufmüpfig, wach und
von der Regierung gelangweilt" hat sie die Neue Osnabrücker Zeitung
anlässlich ihres 100. Geburtstages charakterisiert. „Die langweilt
mich, die hat keine Einfälle“, bemerkte die Jubilarin. Zur Generation
der Gilden-Begründer erinnert sie sich an anderer Stelle:
"Die Gründungsgeneration
der Gilde stand im 'Goldenen' oder krisengeschüttelten Zeitalter der
Zwanziger im dritten Lebens-jahrzehnt, d.h. in der Zeit eigener Berufswahl
und Qualifizierung und den ersten Berufsschritten und Erfolgen. Sie war,
wie kaum eine andere Berufsart, verflochten in die sozialen, politischen
und psychologischen Probleme jener Epoche und wollte Hand anlegen, dass
'es' besser würde"
Kommentierte Werkausgabe
der pädagogischen Schriften Adolf Reichweins (1898-1944)
Seit Anfang 2002 fördert die Deutsche Forschungsge-meinschaft (DFG) das von Ullrich Amlung und Karl Christoph Lingelbach geleitete Projekt einer kommentierten Werkausgabe der pädagogischen Schriften Adolf Reichweins. Nachdem eine Expertenrunde in mehreren Sitzungen über das o.a. Vorhaben beraten hatte, war im Juli 2001 von der Bibliothek für Bildungsgeschichtliche Forschung (BBF) zusammen mit dem Adolf-Reichwein-Verein ein entsprechender Antrag an DFG gestellt worden, der am 8. Januar 2002 schließlich genehmigt wurde. Das Projekt ist auf 2 Jahre angelegt (mit einjähriger Verlängerungsoption).
Ziel der Edition ist, die zeitübergreifende Bedeutung des pädagogischen Werkes Adolf Reichweins herauszuarbeiten und authentisch zu dokumentieren. In dem einzigartigen reformpäd-agogischen Konzept, das er umrisshaft schon in den 20er Jahren, in elaborierter Form vor allem während der 30er und frühen 40er Jahre entwickelte, hat Reichwein bereits globale ökologische, ökonomische, gesellschaftspolitische und kulturelle Problemkonstellationen aufgegriffen und bearbeitet, deren Brisanz erst gegenwärtig offenkundig geworden ist.
In der auf insgesamt fünf Bände ausgelegten kommentierten Werkausgabe seiner pädagogischen Schriften werden Reich-weins Aktivitäten in der Erwachsenenbildung, der Lehrerbildung und Schulpädagogik, der Medienpädagogik, der Museumspädagogik und der Bildungspolitik, einschließlich seiner Rolle im Widerstand, erfasst. Seine wirtschaftswissenschaftlichen Schriften, seine Jugendbücher und Reiseberichte werden nur insoweit in die geplante Publikation einbezogen, als sie zum Verständnis seiner pädagogisch-professionellen Opera unerlässlich erscheinen.
Im einzelnen sind folgende Bände vorgesehen:
I. Erwachsenenbildung in
der Weimarer Republik (1. Teilband): Staatsbürgerliche und ästhetische
Erziehung nach dem Ersten Weltkrieg (1918-1923)
II. Erwachsenenbildung in
der Weimarer Republik (2. Teilband): Von der Volksbildung zur Arbeiterbildung
im Horizont von Gesellschaftsreform, Weltwirtschaft und Industriekultur
(1924-1929)
III. Lehrerbildung, Schulpädagogik
und "Tagespolitik" unter faschistischer Bedrohung in der sich ankündigenden
Weltgesellschaft (1930-1936)
IV. Tiefenseer Schulschriften
(1937-1939)
V. Museums-/Werkpädagogik
und Widerstand: Bildungs-politische Aspekte gesellschaftlicher Neuordnung
(1939/40-1944)
Gesamtregister Werkausgabe
und Repertorium (Find-buch aller Quellen)
Zusätzlich zu dem durch die DFG bereitgestellten Budget für die wissenschaftliche Erarbeitung der Werkausgabe haben zahlrei-che Sponsoren finanzielle Mittel bewilligt, so dass der erforderli-che Druckkostenzuschuss bereits weitgehend gedeckt ist.
Der fünfbändigen
Buchausgabe soll eine digitalisierte Reichwein-Gesamtausgabe auf CD-ROM
beigefügt werden, die auch seine kunsthistorischen, wirtschaftswissenschaftlichen,
politischen und literarischen Werke vollständig erfasst. Damit wird
schnelles Auffinden von Textstellen über Suchoperatoren möglich.
Für die Textaufbereitung wird das unter Philologen verbreitete Aus-zeichnungssystem
der Text Encoding Initiative (TEI) verwendet. Mit diesem auf SGML (Standard
Generalized Markup Language) basierenden Standard wird gewährleistet,
dass die elektronische Edition unabhängig von bestimmten Programmen
und Betriebs-systemen dauerhaft erhalten bleibt. Sie wird mit jedem XML-fähigen
Browser nutzbar sein und kann damit prinzipiell auch über das Internet
zugänglich gemacht werden.
Mitarbeiter: Karl-Christoph
Lingelbach,Ullrich Amlung, Stefan Cramme, Christian Ritzi
Standort: Bibliothek für
Bildungsgeschichtliche Forschung, Berlin
Verwendete Software: TEI
Website: im Aufbau
Kontakt: Christian Ritzi
(ritzi@bbf.dipf.de )
Teilseite der Homepage http://people.freenet.de/reichweinverein