Brief an Bettina Israel vom 4.3.1933
 

Liebe Bettina Israel,

Karte ist mir hierher nachgeschickt worden; ich antworte also "verspätet". Leider kann ich hier nur bis morgen bleiben; es war ein dringender Ausspann von drei Tagen. Am Montag beginnen die Prüfungsarbeiten. Trotzdem, kommen Sie bitte nächste Woche einmal.
Obwohl es mir erbittert zu Mute ist, in dieser traurigsten Zeit Deutschlands, hoffe ich noch genügend Heiterkeit aufzubringen, "um erzählen und vergnügt zu sein", wie Sie schreiben. Da in den nächsten Tagen auch die Mutter von Rosemarie Pallat in Halle sein wird, weiß ich noch nicht genau, wann ich frei sein werde; Sie bekommen Nachricht.
Können Sie bitte auch Wolf Jaensch von obigem verständigen, damit er Beschcheid weiß über den Grund meines Schweigens. Ich hoffe ihn bald zu sehen. Ich bitte, mir in Briefen nicht mehr Politisches zu schreiben. Gründe brauche ich Ihnen wohl nicht anzugeben. Wir leben 1833.

Schöne Grüße!
Adolf Reichwein
 
 
 

Aus einem Brief an Ernst Robert Curtius vom 3.5.1933

Lieber Ernst Robert,

... Nun bin ich beurlaubt und werde wohl demnächst - ohne Pension übrigens -  entlassen. Es ist schon ein merkwürdiges Schicksal bei solcher Leidenschaft für Wirken an der Jugend, an Volk und Nation.  Aber der totale Staat macht ganze Arbeit. Wir sind bei alledem beide heiter und gelassen. Ich spüre mächtiger denn je, was sittliche Gewißheit und gutes Gewissen einem bedeuten können, wieviel Kraft  einem von da kommen kann. ...