Liebe Bettina Israel,
Karte ist mir hierher
nachgeschickt worden; ich antworte also "verspätet". Leider kann ich
hier nur bis morgen bleiben; es war ein dringender Ausspann von drei Tagen.
Am Montag beginnen die Prüfungsarbeiten. Trotzdem, kommen Sie bitte
nächste Woche einmal.
Obwohl es mir erbittert
zu Mute ist, in dieser traurigsten Zeit Deutschlands, hoffe ich noch genügend
Heiterkeit aufzubringen, "um erzählen und vergnügt zu sein",
wie Sie schreiben. Da in den nächsten Tagen auch die Mutter von Rosemarie
Pallat in Halle sein wird, weiß ich noch nicht genau, wann ich frei
sein werde; Sie bekommen Nachricht.
Können Sie
bitte auch Wolf Jaensch von obigem verständigen, damit er Beschcheid
weiß über den Grund meines Schweigens. Ich hoffe ihn bald zu
sehen. Ich bitte, mir in Briefen nicht mehr Politisches zu schreiben. Gründe
brauche ich Ihnen wohl nicht anzugeben. Wir leben 1833.
Schöne Grüße!
Adolf Reichwein
Aus einem Brief an Ernst Robert Curtius vom 3.5.1933
Lieber Ernst Robert,
... Nun bin ich
beurlaubt und werde wohl demnächst - ohne Pension übrigens -
entlassen. Es ist schon ein merkwürdiges Schicksal bei solcher Leidenschaft
für Wirken an der Jugend, an Volk und Nation. Aber der totale
Staat macht ganze Arbeit. Wir sind bei alledem beide heiter und gelassen.
Ich spüre mächtiger denn je, was sittliche Gewißheit und
gutes Gewissen einem bedeuten können, wieviel Kraft einem von
da kommen kann. ...