Aus einem Brief vom 29.7.1917 an den Vater

... kurz kann ich wenigstens noch Deine literarische Abhandlung streifen.
Kulturkrieg? Ein fragwürdiges Wort! Auf den Krieg selbst kann mans natürlich nicht anwenden, eher schon auf die Ziele, die in seinem kritischen Stadium (nicht vorher!) zur Kristallisation gelangen. Der moderne Krieg wühlt derart alle Kräfte u. Gegenkräfte durcheinander, daß keine Partei ohne ernste Krise ihn überstehen kann. Diese Krise birgt unwillkürlich in sich das wirklich positive Kulturmoment des Krieges, indem sie als Heilmittel gegen sich selbst soziale Reformen auslöst. Wenn wir einen kulturellen Gewinn mit in den Frieden nehmen wollen, müssen wir uns diese Reformen sichern. Auf anderem Gebiet kann die Kultur keinen Nutzen ziehen. Gewiß: »Das Leben ist der Güter höchstes nicht«, dieses große Wort hat viel Glauben im Kriege gefunden, auch die Kameradschaft zeitigt viele schöne Blüten, aber demgegenüber steht in erschreckender Weise eine leider zu gründliche Untergrabung der Moral. Troeltsch‘s Meinung, daß beide Parteien den Krieg ihrerseits als Defensivkrieg erscheinen lassen möchten, ist leider richtig. Beide Parteien greifen dabei zur offiziellen Lüge, denn keine kann für sich das Recht der Defensive in Anspruch nehmen. Ich wage nicht zu entscheiden, was den Krieg in höherem Maße verursacht hat, natürliche Notwendigkeit oder die Lügenarbeit der geheimen Diplomatie...
 

Aus einem Brief vom 30.8.1917 an die Familie

... Wir sehen den Jammer hier; eine Schande für die "kultivierte" Menschheit. Und die sittliche Verrohung nimmt von Tag zu Tag mehr überhand. Wir treiben - natürlich die anderen auch - Raubbau mit unserer Volkskraft im Felde ...
 
 

Aus einem Brief vom 21.9.1917 an die Familie
 

... Wir haben hier im Felde - besonders Utz und ich - öfters die Volkshochschulfrage erörtert, kamen aber nicht weit, weil keiner genügend unterrichtet war ... Klar ist uns aber, daß dieses Problem mit zu den wichtigsten Zukunftsfragen gehört.  Die großen Städte sollen wetteifern in der Einrichtung von Volkshochschulen ...
 

Brief vom 7.12.1917 an die Familie
 

Ihr Lieben !

Ich bin am 5. verw. worden, aber nicht schlimm. Ich kann nicht schreiben, weil der rechte Unterarm was abgekriegt hat. Meine Anschrift ist unbeständig, bitte nicht schreiben, Es wird bald wieder gut.
Herzl. Grüße Euer Adolf
Bald ins Lazarett

Brief vom 11.12.1917 an die Familie
 

Ihr Lieben !

Es geht mir immer besser. Ihr braucht keine Bange zu haben um mich. Ich bin in tadelloser Pflege. In nicht allzu ferner Zeit werden wir uns in der lieben deutschen Heimat wiedersehen. Hoffentl. komme ich nicht allzu weit von Hause weg ins Lazarett.
Verw. wurde ich am 5. Dez. mittags 3 Uhr beim siegreichen Sturmlauf auf die Siegfriedstellung vor Dorf Moeuvres. Engländer glänzend rausgeschmissen mit Handgranaten u. Flammenwerfern. Großartig, wie auf dem Exerzierplatz. Schreiben könnt Ihr erst, wenn ich meine neue Anschrift mitteile. Gebt den Verwandten Nachricht, daß ich nicht schreiben kann.
Herzl. Grüße
Euer Adolf
 

Brief vom 27.12.1917 an die Familie Schopbach
 

L. Fam. Schopbach !

Ich bin am 5.12. in der Schlacht bei Cambrai durch Granaten schwer verwundet worden (Lungenschuß, r. Arm). Jetzt gehts wieder besser. Ich werde in den nächsten Tagen nach Deutschl. transportiert.
Herzl. Neujahrswünsche                                           Ihr Adolf Reichwein