... kurz kann ich
wenigstens noch Deine literarische Abhandlung streifen.
Kulturkrieg? Ein
fragwürdiges Wort! Auf den Krieg selbst kann mans natürlich nicht
anwenden, eher schon auf die Ziele, die in seinem kritischen Stadium (nicht
vorher!) zur Kristallisation gelangen. Der moderne Krieg wühlt derart
alle Kräfte u. Gegenkräfte durcheinander, daß keine Partei
ohne ernste Krise ihn überstehen kann. Diese Krise birgt unwillkürlich
in sich das wirklich positive Kulturmoment des Krieges, indem sie als Heilmittel
gegen sich selbst soziale Reformen auslöst. Wenn wir einen kulturellen
Gewinn mit in den Frieden nehmen wollen, müssen wir uns diese Reformen
sichern. Auf anderem Gebiet kann die Kultur keinen Nutzen ziehen. Gewiß:
»Das Leben ist der Güter höchstes nicht«, dieses
große Wort hat viel Glauben im Kriege gefunden, auch die Kameradschaft
zeitigt viele schöne Blüten, aber demgegenüber steht in
erschreckender Weise eine leider zu gründliche Untergrabung der Moral.
Troeltsch‘s Meinung, daß beide Parteien den Krieg ihrerseits als
Defensivkrieg erscheinen lassen möchten, ist leider richtig. Beide
Parteien greifen dabei zur offiziellen Lüge, denn keine kann für
sich das Recht der Defensive in Anspruch nehmen. Ich wage nicht zu entscheiden,
was den Krieg in höherem Maße verursacht hat, natürliche
Notwendigkeit oder die Lügenarbeit der geheimen Diplomatie...
Aus einem Brief vom 30.8.1917 an die Familie
... Wir sehen den
Jammer hier; eine Schande für die "kultivierte" Menschheit. Und die
sittliche Verrohung nimmt von Tag zu Tag mehr überhand. Wir treiben
- natürlich die anderen auch - Raubbau mit unserer Volkskraft im Felde
...
Aus einem Brief vom 21.9.1917 an die Familie
... Wir haben hier
im Felde - besonders Utz und ich - öfters die Volkshochschulfrage
erörtert, kamen aber nicht weit, weil keiner genügend unterrichtet
war ... Klar ist uns aber, daß dieses Problem mit zu den wichtigsten
Zukunftsfragen gehört. Die großen Städte sollen wetteifern
in der Einrichtung von Volkshochschulen ...
Brief vom 7.12.1917 an die Familie
Ihr Lieben !
Ich bin am 5. verw.
worden, aber nicht schlimm. Ich kann nicht schreiben, weil der rechte Unterarm
was abgekriegt hat. Meine Anschrift ist unbeständig, bitte nicht schreiben,
Es wird bald wieder gut.
Herzl. Grüße
Euer Adolf
Bald ins Lazarett
Brief vom 11.12.1917 an die Familie
Ihr Lieben !
Es geht mir immer
besser. Ihr braucht keine Bange zu haben um mich. Ich bin in tadelloser
Pflege. In nicht allzu ferner Zeit werden wir uns in der lieben deutschen
Heimat wiedersehen. Hoffentl. komme ich nicht allzu weit von Hause weg
ins Lazarett.
Verw. wurde ich
am 5. Dez. mittags 3 Uhr beim siegreichen Sturmlauf auf die Siegfriedstellung
vor Dorf Moeuvres. Engländer glänzend rausgeschmissen mit Handgranaten
u. Flammenwerfern. Großartig, wie auf dem Exerzierplatz. Schreiben
könnt Ihr erst, wenn ich meine neue Anschrift mitteile. Gebt den Verwandten
Nachricht, daß ich nicht schreiben kann.
Herzl. Grüße
Euer Adolf
Brief vom 27.12.1917 an die Familie Schopbach
L. Fam. Schopbach !
Ich bin am 5.12.
in der Schlacht bei Cambrai durch Granaten schwer verwundet worden (Lungenschuß,
r. Arm). Jetzt gehts wieder besser. Ich werde in den nächsten Tagen
nach Deutschl. transportiert.
Herzl. Neujahrswünsche
Ihr Adolf Reichwein